Die Moral von dem Gericht
„Frühling, Zeit der Wiedergeburt und des Neuanfangs. Eine gute Zeit also, um das Schlagwort des Jahrtausends endgültig zu verabschieden: Nachhaltigkeit.„
Es ist mittlerweile völlig wurscht, was einer glaubt oder sagt – nicht aber, was, beziehungsweise wie er isst. Möglichst moralisch einwandfrei sollte es jedenfalls sein, und damit also regional, bio und nachhaltig. Am Regionalen störe ich mich ebenso wenig wie am Biologischen, weil es ja unbestritten eine gute Sache ist, dem Seesaibling aus Bad Aussee den Vorzug vor karibischem Hummer zu geben, und einem steirischen Bio-Apfel den vor einer chemieverseuchten chilenischen Avocado.
Bleibt die Nachhaltigkeit. Diese super Klimarettungssache, die sich seit Jahren ausnahmslos jedes Unternehmen auf die Fahnen heftet, seit Corona halt noch ein bisschen größer, und das so inflationär verwendet wird, dass auch sehr anständig erzogene Menschen wie ich ihr innerliches Rumpelstilzchen förmlich niederringen müssen, um den Nächsten, der das Wort Nachhaltigkeit in den Mund nimmt, nicht mit kleinen, spitzen Gegenständen zu bewerfen.
Weil es ist nämlich so: Nachhaltigkeit, das ist ein schönes Wort, das noch viel schönere Assoziationen hervorruft – Artensterben aufgehalten, Almwiesen gerettet, menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen am anderen Ende der Welt ein Ende gesetzt – aber es ist eben im Regelfall eben genau und nur das: ein Wort. Und auch wenn wir noch so sehr daran glauben möchten, dass all die Menschen und Unternehmen, die uns von der Nachhaltigkeit erzählen, es auch wirklich ernst meinen, so ist und bleibt es am Ende ein Märchen.
Es gibt keine nachhaltigen Waschmittel-Pods. Es gibt auch keine Dior-Tascherln oder Luxuskarossen oder Birkenstockschlapfn oder dekorative Boho-Shick-Eierbecher aus Ton, die Co2-neutral herstellt werden. Und schon gar nicht nachhaltig sind die meisten Lebensmittel, die wir uns ruhigen Gewissens – und auch ein bissl stolz aufs eigene Gutsein – ins Einkaufswagerl legen. Jö, fein, wieder was für die Welt getan, weil ja die knallroten, prallen Glashaustomaten aus der voll regionalen Südoststeiermark gekauft, nicht die bösen Bio-Tomaten aus Italien!
An dieser Stelle möchte ich Frau Mag. Grach zitieren. Die Dame lehrt an der FH Joanneum Graz, befasst sich hauptberuflich mit dem Thema nachhaltige Ernährung, und sagt: „Regionales Obst und Gemüse zu kaufen ist ökologisch nicht immer sinnvoll, im Gegenteil. Importierte Bio-Produkte können tatsächlich umweltverträglicher sein als regionale Produkte, vor allem konventionell hergestellte.“ Am Beispiel Tomaten wird deutlich, was Frau Grach meint. „Heimische Tomaten, die im Winter angeboten werden und aus fossil beheizten Gewächshäusern stammen, sind ganz bestimmt nicht nachhaltig.“
Aha. Und was tun wir jetzt mit diesem Wissen?
„Wer sich tatsächlich halbwegs nachhaltig ernähren möchte, der isst und kauft regional, saisonal UND bio.“
Das ist wahnsinnig gscheit, was die liebe Frau Grach da sagt, und ich möchte zum Thema Gscheitsein noch gerne etwas ergänzen: Es ist, glaube ich, wirklich gscheit, wenn man das Wörtchen Nachhaltigkeit 2021 einfach aus dem eigenen Sprachgebrauch streicht, und sich jedes Mal, wenn es vor einem auftaucht (und zwar ganz egal, ob für halbwegs aufgeklärte Konsumenten sofort als Schmäh identifizierbar auf dem Banner für eine Möbelhausrestaurant-Neueröffnung, das mit Riesenschnitzel um 2,50 Euro wirbt und dabei von „Bester Qualität und Nachhaltigkeit“ spricht, oder weitaus besser versteckt im Bio-Supermarktregal), ganz laut fragt, ob man nicht gerade dabei ist, in eine Falle zu tappen.
Und die dann am besten ganz elegant umgeht, indem man einfach tut, was der gesunde Menschenverstand, nicht der Hausverstand einem sagt.
„… nämlich kochen und essen, was grad Saison hat, aus biologischer Landwirtschaft und aus Österreich kommt.“
Autorin
Stephanie Fuchs-Mayr
Stephie schreibt für uns die monatliche Gesellschaftskolumne und erzählt uns Geschichten, die in die Tiefe gehen. Und uns so zum Nachdenken anregen. Mehr über Stephie …
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